Auch unsere Dinah besaß eine offizielle Ahnentafel (oh ja!) und war damit ausgewiesenermaßen ein Rassehund. Ausgestellt vom IRV e.V., durften wir bald erfahren, was so ein Stück Papier erst einmal wert war - nichts! Wir hielten eine über gerade einmal drei Generationen reichende Abstammung in den Händen, in der auch die anscheinend dazugehörigen Zuchtnummern vermerkt waren. Eine Angabe der jeweiligen Vereine fehlte jedoch vielfach. Man erkannte lediglich an den Nummern, daß es sich um verschiedene Vereine handeln mußte. Will man nun auf den Spuren der Vergangenheit wandeln und herausfinden, was für Hunde sich hinter den einzelnen Eintragungen verbergen, so steht man schneller vor verschlossenen Türen als man überhaupt einen Schritt erfolgreich getan hat. Sollte man der wahnwitzigen Idee verfallen sein, daß einem doch der papiereausstellende Verein Auskünfte über Zwingernamen und deren Inhaber geben könnte oder gar etwas Vergleichbares wie die Zuchtbücher der VDH-angeschlossenen Vereine führen müsse, so wird man schnell eines Besseren belehrt. Aber halt, einen klitzekleinen Lichtblick gab es denn doch. 1992 war der Besitzer von Dinahs Vater so freundlich uns u.a. drei Fotos von dem inzwischen 10jährigen Rüden zu schicken. Er hatte den Rüden aus zweiter Hand, denn die Erstbesitzer mochten ihn nicht behalten, weil er zu kinderfreundlich war. Seine Zuneigung demonstrierte Asso wohl durch ausgiebiges Küßchengeben, was ihm irgendwann negativ ausgelegt wurde. Kaum zu glauben, aber so kann's einem Hund auch ergehen - Hundeerziehung ist halt nicht jedermanns Sache!

 

 

Es verging einige Zeit (inzwischen lebte Ria-Blue bei uns und ich lernte die Möglichkeiten zur Ahnenforschung eines im VDH-gezogenen Hundes zu schätzen), da stieß ich zufällig auf die Abstammung eines Hundes, in der doch tatsächlich ein über den Club für Britische Hütehunde e.V. geschützter Zwingername vermerkt war, der auch in den Papieren unserer Dinah stand. Sollte es denn wirklich der Realität entsprechen? Noch traute ich der Eintragung nicht über den Weg. Nach einem ausführlichen Telefongespräch mit der Züchterin der "Collies von der Rosenschule" durfte ich mir aber sicher sein, daß alles tatsächlich seiner Richtigkeit entsprach. Der Rüde Baron Grisley war am 20.4.1976 bei ihr geboren worden. Eltern und Großeltern waren ihr noch immer gut in Erinnerung. Damit war dann aber auch erst einmal wieder Schluß und irgendwann machte ich mir auch keine Hoffnungen mehr, noch einmal einen Schritt nach vorne tun zu können. Selbst meine feste Überzeugung, daß sich hinter dem Rüden Dascha von Cortez wohl Collies von Rang und Namen verbergen müssten, konnte mich nicht mehr zur weiteren Nachforschung animieren.

 

 

Inzwischen war das Internet geboren und Verweise auf Asso bzw. seinen Bruder Astor von der Schallheide waren zu entdecken. Offensichtlich hatten aber auch die Besitzer dieser Nachkommen nichts weiter in den Händen als die blanke Ahnentafel. Hinsichtlich weitergehender Informationen oder Bildmaterial herrschte auch hier komplette Fehlanzeige. Aufgrund der registrierten Größenangaben zu den Rüden, ließen es sich aber wohl einige nicht nehmen von Zucht nach amerikanischen Linien oder Zucht amerikanischen Typs o.ä. zu schreiben. Jetzt mußte ich aber doch schmunzeln. Glauben Sie es ruhig, ein echter Amerikaner sieht wahrlich anders aus und das größere Collies immer amerikanisches Blut haben bzw. alle Amerikaner auffallend große Collies sind, ist ein altbackenes Ammenmärchen, das sich zäh wie der angeblich ach so hohe Eisengehalt von Spinat hält.

 

Jetzt war mein Forschungswille aber wieder entfacht. Mit Hilfe einer befreundeten Colliebücherjägerin und -sammlerin, ging ich an's Werk die Ahnentafel weiter zu erforschen. Und endlich, endlich stellte sich der Erfolg ein: Gut 17 Jahre nach Dinahs Geburt sollte sich meine diffuse Ahnung von damals bewahrheiten. Der Rüde Dascha von Don Cortez konnte auf Colliegrößen zurückblicken, die sich wie das who is who der Colliehistorie lesen. Gezüchtet wurde er von Frau Hedwig Mense.

 

Auch Daschas Vater, der 1968 geborene und aus England importierte Don Cortez of Dunsinane, befand sich in Frau Menses Besitz. In den Clubmit-teilungen von 1970 des Clubs für Britische Hütehunde e.V. sind zwei Ausstellungsberichte über ihn zu finden. Zum einen heißt es dort: "Dreifarbiger Rüde, schön im Gebäude und Haar, der flache Kopf ist im Oberschädel etwas breit, flottes Gangwerk und gutes Wesen. Formwertnote: V". Der zweite Bericht lautet: "Dreifarbiger Rüde, richtige Größe, gut proportioniert, flacher aber im Oberschädel etwas breiter Kopf, dunkles Auge, sehr gute Kippohren, raumgreifendes Gangwerk, sehr gutes Wesen. Formwertnote: V". Aufgrund seines Zwingernamens könnte man davon ausgehen, daß der Rüde aus Mrs A. Chatfields ruhmreicher Dunsinane-Linie stammte. Geboren wurde er jedoch im Shearcliffe-Zwinger, den das Ehepaar Broderick führte. Erklären läßt sich dies durch ein Prozedere in England, wobei Hunde mit dem Verkauf in eine andere Zuchtstätte auch den dortigen Zwingernamen zugewiesen bekommen konnten. Manche Züchter ergänzten den bestehenden Namen einfach mit ihrem Zwingernamen und dokumentierten damit sozusagen die Verbindung von Ursprungs- und späterem Heimatzwinger. Andere wiederum ersetzten den ursprünglichen Zwingernamen komplett durch den eigenen. So hat es schon manche Irrungen und Wirrungen über die Abstammung und den Verbleib namhafter Hunde gegeben, was die Ahnenforschung nicht immer einfacher aber mitunter sehr interessant macht.

 

Die Ahnentafel von Don Cortez of Dunsinane scheint auf dem ersten Blick recht unspektakulär zu sein. Drei Generationen zurück, sieht die Sache jedoch schon ganz anders aus. Seine Mutter, Ch. Shearcliffe Black Ballyhoo, weist zum einen Ch. Dorgano Demander of Dunsinane (geb. 1959, gezüchtet von Mrs Mylett) und zum anderen Ch. Defender of Dunsinane (geb. 1955) als Großvater auf. Zwischen diesen beiden Rüden besteht eine enge Verbindung. Demander war nämlich ein Sohn von Defender, aus einer Verpaarung mit der Hündin Foxshot Charmer. Damit gehen beide Rüden väterlicherseits direkt auf Ch. Dunsinane Alaric of Arranbeck (geb. 1953) zurück, welcher so wegweisende Zuchtlinien wie die der Eden-, Beulah- oder Laund-Collies hütete.

 

(Bilderquelle: Dog World Annual 1967, 100 Jahre Club für britische Hütehunde)

 

Kommen wir nun zu Daschas Mutter Leila vom Sand am Meer, welche 1968 geboren wurde. Die Hündin wurde von Herrn Wilhelm Sandomir gezüchtet. Unter anderem importierte er aus Mrs A. Chatfields Zucht die 1963 geborene Divine of Dunsinane und den 1965 geborenen Dimbleby of Dunsinane, welche beide ihren Championtitel vollenden konnten.

 

Divine war eine Vollschwester des berühmten Dazzler of Dunsinane. Wo auch immer von ihr die Rede war, stets tauchen Superlative wie "der ideale Collie" oder "die Göttliche" auf. Ihr Körbericht lautete: "Hervorragende goldsable Hündin mit vorzüglicher Anatomie und edlem Ausdruck. Üppiges Haar von schöner Farbe. Die Hündin wurde erst importiert und muß sich noch eingewöhnen. Wesen: aufgeregt, aufmerksam, gutartig. Ausdruck: geweckt, edel. Schulterhöhe 54 cm". Divine enttäuschte auch nicht mit ihren Qualitäten als Zuchthündin. Ihren ersten Wurf zog sie nach ihrem in Österreich lebenden Halbbruder Ch. Domingo of Dunsinane groß, den Herr Heinrich Hinterholzer für seine Zuchtstätte vom Langauenfeld importiert hatte.

 

Der daraus resultierende Wurf muß damals viel Beachtung gefunden haben und so einige Züchter ergänzten ihre Zucht mit dem Nachwuchs. Die Tochter Herma vom Sand am Meer behielt Herr W. Sandomir für seine eigene Zucht. Verpaart mit seinem Dimbleby of Dunsinane, dem Dazzler-Sohn und Divine-Vollneffen, kam daraus der L-Wurf mit Leila auf die Welt. Die Schwester Hedda vom Sand am Meer ging bei den Collies von der Rosenschule in die Zucht, womit sich an dieser Stelle endgültig der Kreis schließt. Denn was aus der ersten Ahnentabelle nicht mehr abgeleitet werden kann, ist die Tatsache, daß Hedda mit dem Rüden Dean of Dunsinane verpaart wurde. Aus dieser Verbindung stammten die oben gelisteten Taiga-Rose & Tore-Rose von der Rosenschule. Dean selbst war nun auch ein Vollbruder zu Dazzler und von Herrn W. Römpert in dessen Zuchtstätte vom Tierfreund geholt worden. Damit führen auch diese beiden Stränge der Ahnentafel in letzter Konsequenz zu Ch. Dunsinane Alaric of Arranbeck.

 

Jetzt sehe ich schon die ersten Leser zusammenzucken. Hier wurde Inzucht in reinster Form betrieben. Aber vielleicht sollte man bitte auch einmal den zeitlichen Kontext berücksichtigen. Für die deutsche Colliezucht waren neue Impulse schon mehr als überfällig. Das Importieren qualitätsvoller Zucht- hunde war zur damaligen Zeit mit einem enormen Aufwand und auch einer großen Portion Glück verbunden. Da darf es nicht verwundern, wenn den betreffenden Züchtern nicht der Sinn nach unkalkulierbarem Experimentieren stand und sie so zielstrebig und so schnell wie möglich die neuen Einflüsse in ihren Zuchtlinien fest verankert sehen wollten. Der nicht zu leugnende beachtliche Erfolg bei der angestrebten Typverbesserung schien den Zuchtverantwortlichen ja auch durchaus recht zu geben. Der Tribut jedoch, den der massive Einsatz einer solch engen Zuchtstrategie fordert, sollte von den später nachfolgenden Generationen bezahlt werden. Leider tauchten immer häufiger Gesundheits- und Wesensprobleme auf, wodurch sich so manch ein Züchter zu einem Neuanfang genötigt sah. So könnte man doch wohl zu dem Schluß kommen, daß all jene, die das wunderbare Dunsinane-Erbgut mit mehr Luft zwischen den Verpaarungen in ihre Zucht brachten, am Ende das glücklichere Händchen hatten.