Rhoda Knight Kalt hatte aber noch ein zweite Überraschung für mich parat. Sie übermittelte mir ein Foto von ihrem Großvater bei der Fertigstellung eines weiteren Colliegemäldes. Und in diesem Fall kannte Rhoda auch den Namen des Collies. Es handelte sich um keinen geringeren als Rob Roy, geliebter weißer Collie des 30. US-Präsidentenehepaars. Nun muß man dazu wissen, daß die präsidialen Haustiere in den USA schon fast einen 'Starbonus' genießen. Wo auch immer die Geschichte des Weißen Hauses und die der jeweiligen Präsidentenära gepflegt wird, werden die tierischen Gefährten nicht vergessen. Je weiter man zeitlich zurückblickt, desto magerer wird natürlich die Archivierung von Informationen und manchmal werden Fehlerquellen so häufig unhinterfragt reproduziert, daß man sich mit der Entwirrung recht schwer tut. Ich hatte nun Glück und erwarb eine groß aufgemachte Printwerbung sowie einen Brief des Züchters, welche mehr Licht in die Herkunft besagten Collies brachten. Damit konnte ich auch für dieses Gemälde eine Hintergrundgeschichte zusammenstellen, welche im Jahr 2007 in den Herbstausgaben von The White Collie Chronicle (USA), Collie Connection (USA) und Bright Eyes and Bushy Tales (Kanada) abgedruckt wurde. Ferner erhielten die Clarke Schools for Hearing and Speech, welche mich freundlicherweise noch mit dem gesuchten Buchdeckblatt versorgten, eine Erlaubnis zur Verwendung für ihre Schüler. Die Collie Revue Nr.141/2012 übernahm dann die Veröffentlichung für den deutschsprachigen Raum. Mit der hier erfolgten Onlinestellung weise ich daher ausdrücklich darauf hin, das sie allein zum Nachlesen bestimmt ist. Das Copyright ist unbedingt zu beachten und jedwede Weiterverwendung des nachfolgenden Materials ist ohne meine bzw. Rhoda Knight Kalts ausdrückliche Genehmigung nicht gestattet.

 


 

DAS VERMÄCHTNIS VON CHARLES ROBERT KNIGHT FÜR DIE COLLIE-WELT

 

Artikel copyright: Gabriele Bischof

Künstler- & Gemäldefoto copyright: Rhoda Knight Kalt

Buchdeckblatt: Clarke Schools for Hearing and Speech

 

DAS GEMÄLDE EINES WEISSEN COLLIES

 

Irgendwann in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre, erhielt Charles R. Knight den Auftrag, einen der bekanntesten rein-weißen Collies zu malen. Der Name des Collies lautete Rob Roy und stolze Besitzer waren der 30. US-Präsident Calvin Coolidge (1872-1933) sowie seine Frau Grace (1879-1957). Knight muss von Rob Roy recht beeindruckt gewesen sein, denn er unterhielt sich mit seiner jungen Enkelin Rhoda sehr häufig über den Collie und vergaß dabei niemals dessen Schönheit zu erwähnen.

 

Der ursprüngliche Name von Rob Roy lautete Island White Oshkosh, gezüchtet im Island White Collie Kennel von R.C. Radford. Manchmal ist auch zu lesen, daß Rob Roy aus dem Oshkosh (Collie) Kennel kam. Das ist so aber nicht korrekt und muß einer unzuverlässigen oder ungenauen mündlichen Überlieferung geschuldet werden. Der namentliche Bezug rührt vielmehr daher, daß der Züchter seine Colliezwinger auf einer kleinen Insel im Lake Winnebago, namentlich Oshkosh (Wisconsin), unterhielt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte Radford die Insel gekauft, um ein Sommerhaus darauf zu errichten. Für seine kleinen Kinder kaufte er seinen ersten weißen Collie als Haustier und Beschützer. Fasziniert von diesem Hund, kaufte er immer weiter weiße Collies ein und widmete sich deren Zucht.

 

Es war Radford's unumstößliche Überzeugung, daß er der Besitzer und Züchter der höchsten Schönheiten war, gekrönt mit größter Intelligenz und Tapferkeit. Alle seine übergroßen und extravaganten Anzeigen, die er in zahlreichen Zeitschriften veröffentlichte, legten stets Zeugnis davon ab. Weiße Colliewelpen wurden als perfektes Geschenk für Familienmitglieder, Verliebte und beste Freunde beworben. Der weiße Collie sollte sich als das ideale 'Accessoire' für die Damenwelt auf deren Spaziergängen, Ausritten oder Autotouren anbieten. Kinder und Frauen wurden belehrt, keinen besseren Begleiter und Wächter finden zu können, als einen großen, starken und mutigen weißen Collie. Spezielle Hüte- und Treiblinien stünden zur Verfügung, um den Männern einen zuverlässigen Hund versprechen zu können, welcher den Arbeitstag vereinfachen würde. Als Radford dann Rob Roy an Präsident Coolidge verschickt hatte, wurden umgehend unzählige Werbungen mit diesem 'großen Coup' ausgeschmückt.

 

Die Coolidges liebten es, ihr Leben mit einer großen Vielfalt von Tieren zu teilen. Zu ihren Haustieren zählten u.a. die sablefarbenen Colliehündinnen Ruby und Bessie, die weiße Colliehündin Prudence Prim (aus Th. & O. Shover's Shomont White Collie Kennel, Iowa) und die weiße Sheltiehündin Diana of Westwood (von W.E. Scripp's Wildwood Farms, Orion, Michigan) - letztere besser bekannt unter dem Namen Calamity Jane. Zweifelsfrei war es jedoch Rob Roy, der sich den Titel "First Dog" wie kein anderer verdiente. Er und der Präsident waren fast unzertrennlich. Rob Roy wurde sogar der Zutritt ins offizielle Büro des Weißen Haus gewährt und er durfte in den Privaträumen des Präsidenten nächtigen.

 

Nebenbei bemerkt: Es war Präsident Coolidge, der jenen Satz prägte, wonach jeder Mann, der sich nicht mit der Gesellschaft eines Hundes anfreunden könne, ein Leben im Weißen Haus nicht verdient hätte.

 

Der Einzug ins Weiße Haus war für Rob Roy zunächst ein großer Schock. Getrennt von seinem früheren Leben auf der Heimatinsel, kauerte er sich voller Angst zusammen. Die privaten Räume der Coolidges konnte er zudem nur mittels eines Aufzugs erreichen, der ihm wie eine Höllenmaschine erschienen sein muß. Rob Roy warf sich auf den Boden und streckte alle Viere weit von sich. So war es keine leichte Aufgabe hier sein Vertrauen neu aufzubauen.

 

Rob Roy wurde als recht 'wilder' Collie charakterisiert, mit einer enormen Lauf- und Bellfreude. Zudem schien er sich ein Vergnügen daraus zu machen, die Menschheit gelegentlich unsanft anzurempeln. Er muß so sein ganz eigenes Verständnis davon gehabt haben, was es bedeutet auf einen Spazier- gang mitgenommen zu werden. Alle Freiheiten auf dem Anwesen genießend, plünderte Rob Roy die Mülltonnen und jagte Eichhörnchen. Einzig und allein die Stimme seines Herrn vermochte dann seinem Treiben ein Ende setzen.

 

Diese ganz besondere Beziehung zwischen dem Präsidenten und Rob Roy ist nun auch für einige der amüsantesten Tiergeschichten aus dem Weißen Haus verantwortlich. So begab es sich z.B. das der spätere Senator von Texas, Morris Sheppard, von den Coolidges zum gemeinsamen Frühstück eingeladen wurde. Der Senator war höchst irritiert, weil Rob Roy an seinem Arm 'klebte' und fortwährend bellte. Der Präsident erklärte ihm, daß Rob Roy ein Auge auf seine Wurst geworfen hätte, worauf der Senator bereitwillig seine Wurst an den weißen Collie abtrat. Hernach folgte die nächste Lektion: der großzügige Spender erhielt keinen adäquaten Ersatz.

 

Dagegen versuchte bei anderer Gelegenheit der Senator von Indiana, Mr Watson, Rob Roy seine Wurst zu verweigern. Die Verwehrung blieb nicht ungesühnt. Ein paar Augenblicke später zog der weiße Collie mit der halben Wurst vom Teller des Senators von dannen.

 

An einem Wintertag waren einige Bedienstete des Weißen Hauses damit beschäftigt, den Schnee von den Wegen zu schaufeln und Rob Roy war mit zugegen. Einer der Männer fragte Präsident Coolidge, ob ein Risiko bestünde von dem Collie gebissen zu werden. Der Präsident bejahte dieses, konkretisierte dann allerdings seine Bestätigung noch, indem er hinzufügte, daß Rob Roy nur faule Männer beißen würde. Nun schaufelte der gute Mann den Schnee unter doppeltem Arbeitseinsatz fort, die ganze Zeit beobachtet von einem sehr interessierten Rob Roy.

 

Unnotiert blieb auch nicht der Entschluß von Mrs. Coolidge, sich ein neues Paar Hausschuhe zu kaufen. Ihr altes Paar war den Zähnen von Rob Roy zum Opfer gefallen, während sich die Familie gemeinsam einen Film anschaute. Im Anschluß daran hatte sie Rob Roy mit dem zerkauten Exemplar unter dem Bett liegend vorgefunden. Keine Macht der Welt hätte sie allerdings dazu bewegen können, ihn nun mit dem noch unzerkauten Hausschuh zu bestrafen.

 

Gegen Ende September 1928 brachen dunkle Tage für den Coolidge-Familie an. Rob Roy entwickelte ein Magenleiden und wurde ins Walter Reed Hospital gebracht. Die unumgängliche Operation war jedoch nicht von Erfolg gekrönt. Im Alter von sieben Jahren folgte der legendäre "First Dog" seiner jüngeren weißen Colliebegleitung Prudence Prim über die Regenbogenbrücke. Prudence Prim war bereits ein Jahr zuvor aufgrund einer komplikations-reichen Staupeerkrankung verstorben.

 

Vielleicht war es dann auch so etwas wie eine letzte Ehrung der geliebten weißen Collies, als sie im darauf folgenden Jahr noch einmal für 'einen guten Zweck' warben. Grace Coolidge hatte vor ihrer Heirat an der ''Clarke School for the Deaf'' (heute: Clarke Schools for Hearing and Speech) unterrichtet. Um die Stiftung der Lehranstalt zu unterstützen, autorisierte der Präsident den Bostoner Goodspeed Book Shop zum öffentlichen Verkauf von Deckblattkopien des Calvin Coolidge Buches. Es zeigte einen Holzschnitt des Künstlers Timothy Cole, der die Coolidge-Geburtsstätte in Plymouth, Vermont, darstellen soll, ergänzt um zwei im Gras sitzende, erwartungsvolle, weiße Collies.

 

 

Nachtrag: Was Rob Roys Züchter Radford niemals öffentlich zugab, ist die Tatsache, dass viele seiner Welpen taub oder blind geboren wurden (aber eine seiner Töchter tat dies 1971 in der amerikanischen Zeitschrift Collie Cues). Wir brauchen nicht viel Phantasie, um den Grund dafür in der versteck-ten Zucht von Double Merles zu finden. Und wenn wir unsere Augen für die unterschiedlichen Erscheinungstypen seiner Collies öffnen, müssen wir akzeptieren, dass er in seiner Zucht auch andere Hunderassen mit weißem Fell (zum Beispiel Samojeden) verwendet hat, um den farbigen Kopf und jede noch so kleine farbige Fellmarkierung zu vertreiben.