Kein Werk der ColGal-Künstlerräume hat im wahrsten Sinne des Wortes zeitweilig so viel Raum in meinem Leben eingenommen wie das von Charles Robert Knight. Auch habe ich mich wohl mit keinem Künstler so gerne und so intensiv beschäftigt wie mit Charles Robert Knight. Dieser Künstler und sein Colliegemälde brachten etwas für mich Einzigartiges auf den Weg, dem ich gerne einen Room of Honour widmen möchte. Was anfänglich nur ein Bild unter vielen zu sein schien, worüber auch anscheinend keinerlei Informationen mehr zugänglich waren, das entwickelte sich zu meinem persönlichen Highlight. Motiviert durch (sagen wir einmal) unschuldige Neugier, wurde Schritt für Schritt alles viel 'lebendiger' und am Ende konnte die Geschichte eines lang vergessenen Bildes neu geschrieben werden. Diese wurde dann für den deutschsprachigen Raum der Collie Revue Nr.123/2008 sowie für den englischsprachigen Raum dem International Collie Society Handbook 2007/8 zum Abdruck freigegeben. Mit der Veröffentlichung an dieser Stelle weise ich daher ausdrücklich darauf hin, das sie allein zum Nachlesen bestimmt ist. Das Copyright ist unbedingt zu beachten und jedwede Weiterverwendung des nachfolgenden Materials ist ohne meine bzw. Rhoda Knight Kalts ausdrückliche Genehmigung nicht gestattet.
DAS VERMÄCHTNIS VON CHARLES ROBERT KNIGHT FÜR DIE COLLIE-WELT
Artikel copyright: Gabriele Bischof
Biographie autorisiert durch: Rhoda Knight Kalt
Künstlerfoto copyright: Rhoda Knight Kalt
DIE VORGESCHICHTE
Anfang 2007 entdeckte ich in einer Auktion den fast 100 Jahre alten Druck eines Collieduos des amerikanischen Finanziers J.P. Morgan, der mich aus irgendeinem undefinierbaren Gefühl heraus sofort in seinen Bann zog. Mit dem Künstler wußte ich nun so rein gar nichts anzufangen und so suchte ich im Internet nach Informationen. Zu meiner großen Verunsicherung fand ich den Namen Charles R. Knight jedoch einzig und allein im Zusammenhang mit der Darstellung prähistorischer Themen erwähnt. Wie sollte das nun nur mit den Collies zusammengehen? Zweifelnd schickte ich dennoch eine Mail in die Staaten und es meldete sich tatsächlich die Urenkelin des Künstlers zurück. Sie hätte ihrer Mutter von meiner Anfrage erzählt und diese wolle gerne in Kontakt mit mir treten. Per Fax- und Briefverkehr lernte ich dann eine Seniorin kennen, die mit großem Engagement das künstlerische Erbe ihres Großvaters pflegt und ein gerngesehener Gast bei diversen Events ist.
Zu unserer beider Freude konnte ich noch ein weiteres Exemplar des Druckes ausfindig machen, woraus dann die Idee geboren wurde, daß es doch möglich sein müsse, die Hintergrundgeschichte des Bildes einmal zu beleuchten. Und: Was war wohl mit dem Originalgemälde geschehen? Angeblich sollte die riesige Kunstsammlung des J.P. Morgan bis auf einige Ausnahmen an das Metropolitan Museum in New York gegangen sein. Doch weder dort, noch bei einigen anderen Museen ließ sich eine Spur finden. Ich sollte später erfahren, warum meine Suche nicht erfolgreich sein konnte. Auch hinsichtlich der Informationen über die Morgan'schen Collies stieß ich auf so manche Ungereimtheiten, die nur einen Schluß zuließen: Ich mußte wirklich 'back to the roots' und möglichst viele zeitnahe Dokumente einsehen können. Internet macht vieles möglich, aber nicht alles. Die Einsatzbereitschaft von Rhoda Knight Kalt war wieder einmal gefragt. Sie wollte mir aus dem Archiv von Harper's Weekly und der Morgan Library zwei Dokumente besorgen, von denen ich mir sehr viel versprach.
Was dann kam, war ein Päckchen - vollgestopft mit Kopien von Schriftstücken und Fotos, das mich mein deutsches Hier und Jetzt für Wochen fast vergessen ließ. (Danke an meinen Mann und meine Collies, die das mit Geduld ertragen haben.) Die gute Rhoda muß jedenfalls mit Hilfe einer Assistentin der Morgan Library das halbe Archiv umgegraben haben. Zutage kam dabei nun auch ein Foto, das 'unser' Gemälde im Hause Morgan zeigt. Nicht minder interessant war das Datum. J.P. Morgan war da nämlich bereits seit gut 10 Jahren verstorben. Das Bild war von dem Haupterben also weder gestiftet noch verkauft worden? Und dann war da so häufig ein kleines Mädchen mit einigen Collies abgelichtet. Sollte man dieses mehr beachten? Man sollte, denn es handelte sich um eine Enkeltochter von J.P. Morgan. Diese führte mich wiederum zu einer Ururenkelin, die sich als sehr hilfsbereit erwies. Da ihre Großmutter vor einigen Jahren ebenfalls verstorben war, wollte sie zumindest ihre Mutter nach dem Bild befragen. Jene konnte sich doch auch tatsächlich noch vage daran erinnern. Doch wann und wo sie es zuletzt gesehen hatte, das war ihr leider entfallen. Und das war dann leider auch das zumindest vorläufige Ende unserer Spur. Wir waren möglicherweise nahe dran, aber nun ist es uns wieder entglitten. So müssen wir uns denn doch erst einmal wieder mit dem Druck zufrieden geben. Aber vielleicht, vielleicht...
DAS LANG VERGESSENE GEMÄLDE
Der amerikanische Künstler Charles R. Knight ist in den Vereinigten Staaten kein Unbekannter. Sein Name ist mit unzähligen Werken über prähisto-rische Säugetiere und Dinosaurier, sowie einiger wildlebender Tierarten eng verbunden. Von ungebrochener Attraktion sind seine Skulpturen und Wandmalereien in einigen der größten amerikanischen Museen, insbesondere im American Museum of Natural History (New York) und im Field Museum of Natural History (Chicago). Doch jetzt ist es an der Zeit ein weiteres Kapitel seines künstlerischen Schaffens aufzuschlagen, und das ist unseren Collies gewidmet. Machen wir also eine Reise in die Vergangenheit.
Geboren 1874 in Brooklyn (New York), war er von Kindesbeinen an ein regelrechter 'Naturbursche'. Zusammen mit seinem Vater, verbrachte er viel Zeit in den Wäldern und an den Seen von New York. Seinen enormen Wissensdurst versuchte der Vater zu befriedigen, indem er immer wieder naturge-schichtliche Bücher mitbrachte und Besuche des American Museum of Natural History organisierte. Daraus entwickelte sich beim noch jungen Knight eine zweite Leidenschaft: Das Zeichnen und Malen.
Unglücklicherweise wurde bereits frühzeitig sein rechtes Auge durch einen geworfenen Stein zerstört - die Untat eines Spielkameraden. Er erlitt schwere Schädigungen der Hornhaut, welche kombiniert mit einer vom Vater geerbten Hornhautverkrümmung, ihn fast vollständig erblinden ließ. Von diesem Zeitpunkt an, mußte er Brillen mit dicken Gläsern tragen und war gezwungen, mit seinem Gesicht nahe am Papier zu malen, respektive in späteren Jahren mit Zentimeterabstand zur Leinwand.
Nach seiner ersten formalen Kunstausbildung, begann der 12 Jahre alte Knight Kunstklassen an der Metropolitan Art School zu besuchen. Hier lernte er sein Talent in den verschiedensten künstlerischen Techniken zu verbessern.
Zu Beginn der 1890er, traf Knight auf Henry Fairfield Osborn, den verdienten Paläontologen und Präsidenten des American Museum of Natural History. Osborn bat Knight von einem fossilen Elotherium seine erste prähistorische Kreatur anzufertigen. Er begann fossile Skelette zu skizzieren und zusammen mit seinem großen Wissen über die Anatomie neuzeitlicher Tiere, brachte er die Welt der prähistorischen Säugetiere und Dinosaurier auf Leinwand neu zum Leben. Dies war der Beginn einer Karriere auf Lebenszeit.
Es war ebenfalls Osborn, welcher Knight mit dem Finanzier John Pierpont Morgan bekannt machte. Von diesem Zeitpunkt an, unterstützte der nam- hafte Investor und Kunstsammler Knight's Arbeiten für viele der großen Museen. Knight hatte seinen lebenslangen Mäzen und auch Freund gefunden. Wer an weitergehenden Informationen interessiert ist, dem sei die Website www.charlesrknight.com empfohlen.
Morgan war auch ein leidenschaftlicher Collieliebhaber. Ohne seinen Beitrag zur Popularisierung dieser wunderbaren Rasse in den Vereinigten Staaten, wäre die amerikanische Colliegeschichte wohl anders verlaufen. In der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts wurde Knight beauftragt, ein Gemälde von einem Paar von Morgan's berühmten britischen Collieimporten anzufertigen. Nach einiger Recherche, bin ich davon überzeugt, dass der Hund im Vordergrund Ch. Wishaw Clinker (Heacham Galopin x Last Rose) ist. Dieser bemerkenswerte Rüde wurde im Jahre 1898 von Robert Tait gezüchtet und geht in direkter männlicher Linie auf den historischen Christopher zurück. Ch. Wishaw Clinker wurde attestiert, daß er bis hin zu seinen Abzeichen eine echte Reinkarnation seines großen Vorfahren gewesen sein soll. 1904 hatte Morgan den Rüden für 4.000 Dollar gekauft. Er machte allerdings auch kein Geheimnis aus seiner Bereitschaft, einen Betrag von bis zu 10.000 Dollar zu zahlen. Mit Blick auf die amerikanischen Hundeschauen sollte sich diese Investition auszahlen. Ch. Wishaw Clinker gewann seinen amerikanischen Championtitel und ging drei Jahre in Folge als Sieger der "Stud Dogs' Stakes" des Westminster Kennel Club vom Platz. Seine beachtliche britische Karriere als Zuchtrüde setzte sich jedoch in den Vereinigten Staaten nicht weiter fort.
Morgan's Faszination für die Collies begann während seiner Reise in die schottischen Highlands in den späten 1870ern. Tief beeindruckt von den dort bei den Herden arbeitenden Hunden, importierte er 1880 ein rotbraunen Hund namens Shep. Die jährlichen Hundeschauen des Westminster Kennel Club, die im Madison Square Garden von New York abgehalten wurden, erweckten sein Interesse an der Rassehundezucht und an den stattfindenden Wettbewerben. Im Jahr 1888 erwarb er den Colliewelpen Bendigo und dessen Mutter Bertha auf der Schau.
Im gleichen Jahr gründete er auf seinem ländlichen Anwesen in der Nähe des Hudson Rivers seinen Cragston-Zwinger. Die dafür errichteten Gebäude und Ausläufe nahmen eine Grundstücksfläche von fast 100 Fuss ein. Im Zentrum der Anlage befand sich das Hauptzwingerhaus - ein Fachwerk-gebäude, aufgeteilt in zwei lange Reihen von Räumen. Jeder Raum hatte einen separaten Ausgang zu den Ausläufen, welche durch ein Steinfundament und hohe Zäune gesichert wurden. Die Innenräume hatte Morgan mit einer Dampfheizung und Elektrizität ausstatten lassen. Ein spezielles Zimmer für die Aufzucht heranwachsender Generationen, emaillierte Bäder für alle anfallenden Arbeiten zur Pflege der Hunde, eine eigene Küche und eine kleine Krankenstation setzten höchste Standards.
Morgan vergeudete keine Zeit einige der besten britischen Collies zu importieren. Mit ihnen beherrschte er die Ausstellungsringe für viele Jahre. Einer seiner ersten Importe war der 1890 geborene Ch. Sefton Hero (Gladdie x Lady Wonder II), ein Urenkel von Ch. Charlemagne. Es wird häufig behauptet, daß Morgan für ihn die damalige Rekordsumme von 5.000 Dollar gezahlt habe. Tatsächlich handelte es sich bei der Summe jedoch nur um eine 'ideelle Wertveranschlagung'. Morgan's Londoner Agent unterzeichnete dagegen einen Blankoscheck und übergab ihn an einen Agenten in Leicestershire, um den Kauf abzuschließen. Spitzfindig füllte Letzterer den Scheck mit 2.500 Dollar aus und erhielt Ch. Sefton Hero. Hero's ruhmreiche Karriere begann in den Vereinigten Staaten als er die allererste Schau des Collie Club of Amerika als siegreicher Rüde verließ. Allerdings war es auch sein Schicksal, daß er für die amerikanischen Züchter keine Collielinie von Bedeutung begründen konnte. Britische Züchter waren da erfolgreicher. Sie konnten auf einige seiner Nachkommen zurückgreifen, die ihren Beitrag für die Zucht leisteten.
Eine seiner Töchter, Ch. Chorlton Phyllis (Sefton Hero x Parbold Peery), verließ ihre Heimat mit Ziel Cragston. Sie war eine typische Herotochter, mit nicht weniger Erfolg im Ring. In Europa wurde Hero lediglich von Phyllis und dem 1890 geborenen Ch. Rufford Ormonde jemals besiegt. Nachdem Morgan Phyllis erweben konnte, importierte er auch Ormonde für 3.750 Dollar. Ormonde hatte einen schlechten Start in den Vereinigten Staaten. Das heiße Wetter machte ihn krank. Er verlor sein Fell und beinahe auch ein Auge. Zwingermanager Armstrong übernahm höchstpersönlich seine Pflege und quartierte ihn in seinem eigenen Schlafzimmer ein. Der allmählich genesende Rüde sprang dort eines Tages zum Fenster hinaus und verstauchte sich nun eines seiner Vorderbeine. Wieder zurück im Ausstellungsring, erwies sich Ormonde jedoch als eine Klasse für sich.
Aus der Verpaarung von Phyllis und Ormonde resultierten die erwähnenswerten Rüden Ornament und Masterpiece sowie die Hündin Hornpipe. Auf der jährlichen Hundeschau des Westminster Kennel Club im Jahr 1897, gewann Ornament seine Klasse und Masterpiece wurde Zweitplatzierter. Hornpipe war die Siegreiche in ihrer Klasse. Ein Jahr später konnte Masterpiece dann Ornament hinter sich lassen, Hornpipe gewann erneut in ihrer Klasse. Aber das Schicksal von Masterpiece war besiegelt. Kurz nach der Show erkrankte er an Staupe und verstarb. Ornament setzte seinen Siegeszug durch die Klassen noch über Jahre fort. So waren viele Collieliebhaber von damals der Überzeugung, daß dieser Rüde der beste Collie in den Vereinigten Staaten wäre.
Fest entschlossen, den Ruf seines Zwingers aufrecht zu erhalten, fuhr Morgan fort die besten Collies zu importieren, die er aus bekannten britischen Zuchten bekommen konnte. Ormskirk-, Parbold-, Southport-Collies --- er hatte sie alle. Zeitweilig soll er im Besitz von mehr als 60 Collies gewesen sein. Dennoch resultierte daraus keine größere Verbesserung für den amerikanischen Collie. All die Jahre hindurch war Morgan nicht in der Lage, einen eigenen erfolgreichen Zuchtplan zu entwickeln und die meisten seiner Welpen waren nicht viel besser als der normale Durchschnitt. Er war und blieb ein 'Jäger und Sammler' und nicht ein Züchter im eigentlichen Sinn.
Besondere Aufmerksamkeit sollten wir noch seinem Engagement hinsichtlich der Blue merle-Collies schenken. Dieser uralte Colliefarbschlag fand im 19. Jahrhundert kaum noch Liebhaber und viele Blue merle-Welpen wurden nach ihrer Geburt einfach ertränkt. Der britische Züchter W. P. Arkwright sorgte federführend ab 1870 dafür, daß die Blue merles ihrer Ausrottung entgehen konnten. Morgan importierte einen der ersten Blue merle-Collies in die Vereinigten Staaten. Auf der Westminster Kennel Club Show von 1895, stellte er Cragston Blue Ruine als den ersten in Amerika gezüchteten Blue merle vor. Die Blue merles begannen zu boomen. 13 Jahre später wurden mehr Collies dieses Farbschlages importiert als Sables und Tricolors zusammen. Bezeichnenderweise (oder auch ironischerweise) war es dann auch ein Blue merle, der den Schlußpunkt unter Morgan's Ausstellungs-präsenz setzte. Auf der Westminster Kennel Club Show von 1907, hatte Morgan 13 Collies ausstellen lassen. Jedoch konnte nur Cragston Blue Prince an diesem Tag für seinen Besitzer das begehrte 'Blue ribbon' gewinnen.
1908 zog sich Morgan aus der aktiven Collieszene zurück. Seine Collies, in einem Gesamtwert von mehr als 50.000 Dollar, gingen in den Besitz des
letzten Zwingermanagers Alfred Blewitt über. Nach den Gründen für seinen Rückzug gefragt, bekannte sich Morgan zu seinem Scheitern als Züchter. Er realisierte sehr genau, daß kein Züchter eine
reelle Chance auf einen fairen Wettbewerb haben würde, solange die Reichen der Zucht und der Ausstellung ihren Stempel aufdrücken würden. Und: Morgan vermißte seinen geliebten Hero mehr als
Außenstehende vielleicht gedacht haben mögen. Als der Rüde 1905 starb, konnte kein anderer Hund seinen Platz einnehmen. Seither fühlte Morgan, daß sein Interesse an seinen Hunden nicht mehr so
groß war wie noch zu Hero's Zeiten. Aber in einer kleinen Ecke seines Herzens, bewahrte er denn doch etwas von seiner Liebe zu den Collies und auch nach seinem Tod im Jahre 1913 dekorierten
einige Erinnerungsstücke an seine Collies sein Haus.